Umfahrung: Parteien uneinig

Der Planfeststellungsbeschluss vom 15. Juli zur Ortsumfahrung hat bei den Parteien unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen. Es fallen Begriffe wie „menschenverachtend“ und „unverantwortlich“ und „Beratungsresistenz“.

„Menschenverachtend“: FW gegen Umfahrung

Zunächst äußerte sich Herbert Uhl, Pressesprecher der Freien Wähler. Diese bedauerten den Planfeststellungsbeschluss. Viele Einwendungen würden darin als “nicht relevant” bezeichnet, so Uhl. Dies gelte insbesondere für die Alternativen B471 und Flughafentangente Ost. Ob man derartige Planungen für wünschenswert hält, sei eine verkehrspolitische Fragestellung. Es sei “nicht Sinn und Zweck eines Planfeststellungsverfahrens, …. verkehrspolitische Diskussionen auf regionaler Ebene anzustoßen”, so heißt es im Beschluss.  Das mag juristisch korrekt sein, so die FW, weshalb man sich „eine Klage wohl sparen kann“. Man könne jedoch erwarten, dass bei der Planung nicht nur das „Gartenzaundenken einiger Dörfer“ berücksichtigt, sondern auch die Verkehrserfordernisse der ganzen Region berücksichtigt würden. Das genau das Gegenteil sei der Fall.

Unter Berücksichtigung der Umbaupläne für das Autobahnkreuz sei die Situation eine andere, so Uhl, der sich auf eine Südumgehung Weißenfelds bezieht. Wenn die Unterführung der A99 nach Süden verlegt und an eine B471 neu angeschlossen werde, würde „nicht nur Weißenfeld voll entlastet“. Die Südumfahrung würde kürzer, schneller und billiger, und die Staus vor Weißenfeld und Feldkirchen würden wegfallen; Personen aus Wolfersing müssten nicht mehr über Hergolding und Parsdorf auszuweichen.

Der Verkehr aus Vaterstetten würde automatisch auf der Südumgehung Weißenfeld landen und hätte keinen Grund, nach Parsdorf zu fließen. Damit wäre auch Parsdorf ausreichend entlastet „Unverantwortlich“ sei es, dass auf die veränderte Situation keine verkehrspolitischen Diskussionen von der Mehrheit im Gemeinderat und auch vom Landrat akzeptiert würden, so Uhl. Stattdessen wolle man „an dieser überholten, für die Gemeinde teuren und verkehrstechnisch unsinnigen Planung festhalten“. Als „menschenverachtend“ bezeichnet Uhl, dass laut Beschluss „Mehrbelastungen innerhalb Vaterstettens hinzunehmen sind”, da sie “die Verkehrs- und Lärmbelästigung in den Ortsdurchfahrten (Parsdorf, Weißenfeld, Hergolding) für vorrangig halten.” In Vaterstetten sei eine größere Anzahl Anwohner betroffen, das würde ignoriert werden.

Die Grünen ebenfalls gegen die Umfahrung – „unverantwortlich“

Ähnlicher Meinung sind auch die Grünen. Die Umfahrung habe „nur Nachteile für Gemeinde und Bevölkerung“ und sei unsinnig, heißt es in einer Pressemitteilung. Zum einen wird darin eine deutliche Veränderung der Verkehrssituation angesprochen – aus dem Osten soll der Verkehr um 35 % zunehmen, zum anderen wird auf den Gemeindehaushalt, der durch die Covid-Krise belastet werde, hingewiesen. Angesichts der Corona-Unsicherheiten sei der Bau deswegen „verantwortungslos“. Beide Gründe zusammen machten den Bau einer Umfahrung aus Sicht der Grünen „unverantwortlich“. Weiter führt die Partei aus, dass wohl nur vom Bau der Umfahrung Parsdorf die Rede sein kann, denn „die Umfahrung Weißenfeld wird mangels Geld wohl in 10 Jahren noch nicht in Arbeit sein“. Man solle es lieber „in wirklich wichtige Dinge wie Sanierung und Ausbau von Schulen und Kinderbetreuung sowie alternative Mobilität (wie Fahrradwege und besseren ÖPNV) stecken“, so Fraktionssprecher Axel Weingärtner.

Würde nur der Parsdorfer Abschnitt gebaut werden, befürchten die Grünen eine Erhöhung der Verkehrsmenge in Weißenfeld, begründet durch den erhöhten Autobahnverkehr, welcher in Stau- und Bauzeiten dort durchfließe. Hier wird als Beispiel die Ausbaumaßnahmen von A99 und A94 angesprochen, bei denen es zu „massiven Staus und Ausweichverkehr“ kommen werde. Ortskundige würden die Umfahrung sowieso „links liegen lassen“, denn die Streckenführung mit Kreiseln und einer Ampel würde die Fahrstrecke und -zeit verlängern.

Als weiteren Grund gegen die Umfahrung führen die Grünen die Umweltbelastung durch die Strecke an. Diese sei „enorm“, nicht nur durch die „Betonierung der Landschaft“, sondern auch durch „deutlich mehr Verkehrslärm für die Parsdorfer, mehr Luftverschmutzung (der Wind kommt meistens aus Westen) und mehr Mikroplastik (Reifenabrieb!) auf unseren Äckern“. Des weiteren nehme auch die Verkehrsbelastung für die Bewohner von Vaterstetten/Baldham zu. „Alle Verkehrsschätzungen“ prognostizierten dies.

An der Zeit für eine Neubewertung der Lage sei es, so die Grünen abschließend.

„Wir Grünen […] fordern, dass der Kreistag die Unterstützung für dieses Straßenbauvorhaben der Gemeinde Vaterstetten aufgibt. Landrat Niedergesäß hat durch seinen Einsatz zur Rettung einer 300jährigen Eiche bei Grafing gezeigt, dass es auch ihm wichtig ist, die Natur und das Klima im Landkreis zu schützen und unverzeihliche Versiegelungsmaßnahmen zu verhindern. Wir fordern, dass der Landrat seinen Einfluss in gleicher Weise geltend macht, um die Planung dieses massiven Landschaftsverbrauches durch den Bau einer unnötigen Umgehungsstraße zu verhindern und so die Umwelt in unserer Heimat zu bewahren“, so Grünen-Kreisrat Johannes von der Forst. David Göhler, Gemeinderat und Bürgermeisterkandidat bei der Kommunalwahl im Frühjahr betonte, dass „das sture Festhalten an einem durchaus ehrenhaften Versprechen, eine Umgehung zu bauen, angesichts der neuen Fakten- und Haushaltslage einfach unsinnig ist.“

Auch der Grünen-Landtagsabgeordnete Florian Siekmann äußerte sich zur Umfahrung: „Wer Straßen baut, wird Verkehr ernten. Statt mit dem Kopf durch die Wand ist ein Schritt zurück und eine Neubewertung der Situation angebracht. Ich setzte mich im Landtag für eine starke finanzielle Unterstützung der Gemeinden in dieser schwierigen Zeit ein. Es gehört aber auch dazu, dass jede Gemeinde kostspielige Projekte auf den Prüfstand stellt und wirklichen Zukunftsinvestitionen den Vorrang gibt.“

CSU, SPD und FDP widersprechen – „Beratungsresistenz“

Die Fraktionssprecher der drei Parteien zeigten sich in einer gemeinsamen Erklärung „sehr verwundert“ über die Äußerungen und Grünen von FW, Uhl wird gar als beratungsresistent bezeichnet. „So ist es nicht verwunderlich, dass er zum x-ten Male davon träumt, durch die Verlängerung der FTO nach Süden bis zur B304 und einer B471 neu die Verkehrsprobleme in der Gemeinde Vaterstetten lösen zu können. Er ignoriert dabei allerdings die auch ihm bekannten Untersuchungen renommierter Gutachter, die zu dem Schluss kommen, dass weder eine B471 neu noch eine FTO-Verlängerung eine positive Wirkung auf das Verkehrsgeschehen in unserer Gemeinde hätten. Im Gegenteil die FTO-Verlängerung würde sogar zu einer Verkehrszunahme in den nördlichen Ortschaften führen. Die Realisierung dieser Projekte ist zumindest auf absehbare Zeit völlig unrealistisch. Es gibt nicht einmal Machbarkeitsstudien“, heißt es in der Erklärung.

Abwegig sei die Behauptung, Vaterstetten und Baldham würden durch ein deutlich höheres Verkehrsaufkommen belastet: „Keine einzige Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass das der Fall sein wird“, so Michael Niebler (CSU), Josef Mittermeier (SPD) und Klaus Willenberg (FDP). Auch die Prognose zur Erhöhung des Verkehrs im Osten sei nicht neu, diese Entwicklung sei berücksichtigt worden: „Sie ist ein wichtiger Grund, die Umfahrungen endlich zu bauen, damit die nördlichen Ortschaften nicht komplett im Verkehr ersticken.“

Indirekt attestierten die Grünen den Behörden, Fachplanern und Gutachtern Unfähigkeit. Das ist nach Ansicht der Fraktionschefs ein „starkes Stück“.  Eine Entlastung der drei betroffenen Ortschaften wurde mit 65 bis 75 % berechnet. „Wer das bezweifelt, sollte konkrete Daten und Fakten auf den Tisch legen, die diese Zweifel bestätigen.“

Der Bau der Ortsumfahrung gehe nicht zulasten der Schulerweiterungen, so die Erklärung. Der Neubau einer Turnhalle und die Generalsanierung der Grundschule an der Brunnenstraße kosteten die Gemeinde deutlich mehr als die Ortsumfahrungen. Eine Gefahr, dass nur die ersten beiden Teilabschnitte gebaut werden, sei nicht gegeben: „Für diese beiden Abschnitte fallen bereits 75 Prozent der Baukosten an. Von daher wäre es unsinnig, auf die Bauabschnitte drei und vier zu verzichten, noch dazu nachdem jedem klar ist, dass nur die komplette Umfahrung die prognostizierte Verkehrsentlastung bringt. Wir hoffen, dass die Freien Wähler und die Grünen endlich zur Vernunft kommen und nicht ewig versuchen, demokratisch legitimierte Mehrheitsentscheidungen mit irgendwelchen reißerischen Behauptungen auszuhebeln. Wir stehen nach wie vor zu den Umfahrungen, weil wir den Bürgerinnen und Bürger in den Ortschaften nicht nur große Gewerbegebieten zumuten können, sondern auch dafür sorgen müssen, dass sie von den Belastungen des Durchgangsverkehrs endlich spürbar entlastet werden“

 

Werbung